Monday, 27 June 2011

LEST WE FORGET

November 11, 2010, Remembrance Day in Australia - and the beginning of Carnival in Germany, maybe not a coincidence.
On this day in 1918 the guns of the 1st World War finally fell silent. Australia lost 60.000 soldiers in that war, a huge number considering the small population of Down Under at the time.

I like to remember my grandfather on this day. His name was Wilhelm Laube. He lived in Berlin and was a plumber by profession. The War was not of his making. But he had to put on a uniform and was given a rifle like most other young men.

                                            Wilhelm Laube with Iron Cross and Dog Tag

Grandfather did not see why he should kill people to whom he had not even been introduced and who were probably Christians as well. He also loved the cultures of neighbouring countries and would have liked to learn some of their languages.

      

When the battles started he aimed over the heads of the soldiers on the other side. He only wanted them to stay put and keep their heads down. However the others did not know that. So he ended up in hospital with a bullet in his head. He survived. One day a general walked into the hospital room with a basket in his arm and distributed Iron Crosses to all the wounded soldiers.

When the War was over and grandfather returned home he hung the Iron Cross on the Christmas tree. He did not talk much. One of the things he told my mother was that while the soldiers were dying in the trenches many of their officers were getting drunk in the safety of bunkers and let their german shepherd dogs drink champagne.

Soon after, in 1918, he joined the crowd when they marched to the Royal Palace and deposed the Emperor. Mother was ten years old then and was so scared for her father that she followed him all the way.

Grandfather is number five from the right with the bandage around his head.


"Russian gifts of love in the month of March 1916"


And that is what the bombs did.



Revolutionaries in front of the palace in Berlin (1918). Grandfather is not in the picture.

On grandfather's grave is an urn chiseled from stone with only one word on it: FRIEDEN (Peace). I hope he found it.

I will remember you grandpa!

PS.: Sorry folks, looking around the World at present I could not help putting this little story on the Web - for all the guys who have to shoot at people against their will. Will they ever learn?

Wednesday, 22 June 2011

Die Legende von der Kokosnuss

Es war einmal ein wunderschönes Mädchen namens HINA. Es lebte an einem spiegelklaren Teich, in dem es zu baden pflegte. In diesem Tümpel lebte ein Aal, mit dem es seine Bewandtnis hatte. Eines Tages ertappte ihr Vater Hina dabei, wie sie sich am Rand des Teiches mit einem göttlich aussehenden jungen Mann liebte. Das war eine schlimme Sünde; denn in Tonga sollen alle Mädchen Jungfrauen sein wenn sie heiraten, unbefleckt von allen Sünden. Der Vater war deshalb sehr erbost und griff in seinem Zorn nach dem jungen Mann. Aber man stelle sich sein Erstaunen vor als der Jüngling sich in einen Aal verwandelte und in das Wasser schlüpfte!


Sofort wurde ein Bote losgeschickt, der alle Leute zusammenrufen mußte, damit sie halfen alles Wasser aus dem Teich zu schöpfen. Das war flugs getan. Der Teich war trocken, und man nahm den Aal heraus und tötete ihn. Aber bevor er starb rief er aus:
                            "Kommt und werft in aller Schnelle
                      Holz und Stein aus dieser Quelle!
                      Und so findet ihr dann gleich
                      einen Aal im trocknen Teich.
                      Nun mit einem scharfen Beile
                      schneidet ihn in viele Teile.
                      Esset alle - Mann und Weib -
                      seinen armen toten Leib.

                      Nur den Kopf, nun habet acht,
                      den vergrabt ihr in der Nacht.
                      Etwas Erde und auch Gras
                      legt auf seine spitze Nas.
                      Nach drei Nächten oder vier
                      wächst ein Palmbaum dann aus mir.
                      Bald wird unter Fächerzweigen
                      eine Kokosnuss sich zeigen.
                      Haltet sie ins rechte Licht
                      und so seht ihr mein Gesicht.

                      Meine Milch gemischt mit Blüten
                      wird viel Wohlgeruch euch bieten.
                      Hina, heißgeliebt und teuer!
                      Sollst mich rösten über'm Feuer.
                      Trinke mich und schlürfe mich;
                      denn ich lieb dich ewiglich.
                      Wenn mein Saft mich so verließ
                      kehr ich heim ins Paradies!"

Wie gesagt, so getan. Und aus dem Kopf des Aals wuchs die erste Kokosnusspalme. Wenn ihr die äußere Schale einer Kokosnuss ablöst und die Kokosnuss-Fasern entfernt, dann werdet ihr deutlich die Augen und den Mund des Aals erkennen. So opferte sich der Aal aus tiefer Liebe für Hina, damit sein Geschenk seiner Geliebten und der Welt für immer nützlich sein werde. Da er aber gestorben ist, lebt er heute nicht mehr.

Hina, nach langer Trauerzeit, traf einen tonganischen Prinz namens SINILAU, der sie heiratete. Aber das ist eine andere Geschichte.

PS.: Dieses Märchen, im Original Tonganisch und Englisch, erzählte mir TUPOU POSESI FANUA am Strand der Insel LIFUKA in Tonga. Die Farben auf der Zeichnung stammen von meiner Enkeltochter Jayde.
Manfred

Saturday, 4 June 2011

Durch die Wüste


1.Dezember 1964, Dienstag   -   Lybien – Bengasi

Nach Mitternacht erst komme ich aus Tripoli in einem kleinen Opel-Bus in Bengasi an. Die Fahrt über eine Strecke von 1.200 km hat mir Amer Izzawi bezahlt, der in Tripoli eine Reiseagentur betreibt. Mangels besserer Unterkunft wird in einer Garage geschlafen.

2. Dezember, Mittwoch

Bengasi wurde im 2. Weltkrieg völlig zerstört. Die meisten Häuser sind neu. Von der Altstadt ist wenig geblieben. Mehr als einen kurzen Rundgang ist die Stadt mir nicht wert. Dann schultere ich den Rucksack und marschiere zur Ausfallstraße. Gegen Mittag hält ein Jeep (Landrover) und nimmt mich die 300 km nach Derna mit. Unterwegs steigt Karl zu, ein kanadischer Kunststudent, der wie ich mit seinem Rucksack unterwegs nach Egypten ist.
Karl
 Bald hinter Bengasi verläßt die Straße die Wüstenlandschaft. Man fährt über ein fruchtbares Hochplateau, auf dem Bäume, Felder und Kühe keine Seltenheit sind. Bei Derna geht es dann auf steilen Serpentinen wieder zum Meer hinab.

Karl, der Kanadier, und ich beschließen, gemeinsam weiter zu trampen. Bei der Ankunft in Derna ist es aber schon Abend. Der Verkehr läßt nach. Tobruk, unser Tagesziel, können wir nicht mehr erreichen.

Auf der Suche nach einer billigen Bleibe landen wir im Polizeirevier, wo man für uns einen sauberen Fußboden und fließendes Wasser zur Verfügung hat.

3. Dezember, Donnerstag  -  Bengasi-Tobruk = 480 Km

Karl und ich bedanken uns bei den Polizisten für die kostenlose Unterkunft. Mit einem LKW und einem Kranwagen der  Royal Air Force von Great Britain schaffen wir am Vormittag ganze 20 km. Dann erwischen wir einen PKW, der uns bis Tobruk bringt.

Wie Bengasi besteht auch Tobruk praktisch nur aus neuen Häusern. Der Krieg muß hier eine einzige Trümmerlandschaft hinterlassen haben. Die Stadt liegt an einem Hang und blickt auf einen sehr hübschen Naturhafen hinab. Auf der anderen Seite der Bucht steht wie eine Trutzburg auf einem Berg das deutsche Kriegerdenkmal. Vier hohe Mauern bilden ein Quadrat mit 80 m Seitenlänge, an dessen Ecken je ein runder Turm herausragt. In der Mitte des Innenhofes hat man unter Marmorplatten die Gefallenen bestattet. Ringsum an den Wänden stehen die Namen der hier begrabenen Soldaten. Gleich in der Nähe sind auch ein englischer und ein französischer Soldatenfriedhof. Ringsum wüstenartige Kies- und Buschlandschaft und kahle Höhenzüge. Was für eine Einöde zum Kämpfen und Sterben ! Welch menschlicher Schwachsinn wütete hier, wo die Natur der wahre Feind ist. Es ist als sei die ganze Gegend im Tode erstarrt.

Auch der Verkehr scheint erstarrt zu sein. Erst am späten Nachmittag bekommen Karl und ich einen Rot-Kreuz-Wagen, der uns bis zur lybischen Grenze mitnimmt. Wir finden auch noch ein Auto, das uns die 15 km durch das Niemandsland bis zur egyptischen Seite befördert. Dort ist eine Abfertigung nicht mehr möglich, weil die Zollbeamten bereits schlafen. So übernachten wir auf einem Schulhof in einer Waschanlage. Um uns sorgen Sturm und Sandböen für die Nachtmusik.


4. Dezember, Freitag  -  Tobruk-Marsamatru=370 km


Es wird ein recht abwechslungsreicher Tag. Zunächst bekommen wir einen LKW, der uns etwa 50 km in Richtung Marsamatru mitnimmt. Dann hält er an, mitten in der Wüste. Wir müssen samt Rucksäcken absteigen. Der LKW fährt auf einer Sandpiste in die Wüstenlandschaft hinein. Wir stehen verlassen mitten in der Gegend.

Wenig später verdunkelt sich der Himmel. Es wird richtige Abendstimmung, und Sturm kommt auf. Überall setzt sich der Sand in Bewegung. Wie Nebelschwaden ziehen die Sandwolken sich zusammen. Im Nu sind wir mitten drin. Es gibt nirgends einen Platz, an dem wir in Deckung gehen könnten. Ich ziehe den Hut über die Stirn und binde mir ein Taschentuch vor Mund und Nase. Trotzdem atme ich Sand, beiße Sand und spucke Sand. Die Sicht beträgt nur noch wenige Meter. Dann habe ich auch die Augen voll Sand und sehe überhaupt nichts mehr. Wir kauern neben den Rucksäcken und ziehen die Köpfe ein.


Nach dem Sandsturm. Rucksack mit Poncho, Luftmatratze und Schlafsack.
 Pistole in der Brusttasche. Kobrahaut am Hut.
 Nun kommen Blitz und Donner. Es beginnt zu regnen. Der Sand wird feucht und sinkt langsam zur Erde nieder. Jetzt will ich fotografieren – und fluche wie ein Rohrspatz, weil in beiden Apparaten die Filme abgeknipst sind. Also bei Sandsturm und Regen Filmwechsel ! Aber wie ? Schließlich finde ich im total versandeten Rucksack einen Plastikbeutel. Ich stecke die Fotoapparate hinein und wechsle mit einer Hand den Film während ich mit der anderen den Beutel zuhalte. Dann bin ich mit mir und dem Sandsturm zufrieden. Hoffentlich werden die Fotos gut !

Beduinen
  Der Regen entwickelt sich zum Glück nicht zum Wolkenbruch. Er sorgt nur für eine angemessene Durchfeuchtung der Kleidung. Bald hat sich der Himmel beruhigt. Am Horizont wird es hell. In allen Blautönen schimmern Wolken am Himmel, und der Wind treibt die Gewitterwolken auf das nahe Meer hinaus. Dort grummelt es noch eine Weile während die sinkende Sonne einen Regenbogen über die Wüste malt. Plötzlich kommt Leben in die Landschaft. Die Dornenbüsche werden grün. Der Boden leuchtet goldig gelb. Vögel flattern auf, zwitschern dem Abend entgegen.
                           
 Auf der Straße kommen auf Eseln zwei Beduinen herangeritten. Bei unserem Anblick scheint sie Mitleid zu packen. Sie sammeln Gestrüpp, zünden ein Feuer an und kochen für die “Beduini Alemani” (deutsche Beduinen) Tee. Dazu gibt es Fladenbrot und Erdnüsse. Das ist die Gastfreundschaft der Wüste ! Schließlich sollen wir noch auf den Eseln mit ihnen reiten. Das Trampen auf Eseln wäre zwar eine neue Variante. Aber Karl und ich warten lieber auf die Autos, die uns aus der Wüste bringen sollen.

nach dem Sandsturm
Schon ist es dunkel. Wir richten uns seelisch auf eine Übernachtung im Wüstensand ein. Da taucht wie eine Fata Morgana am Horizont wieder unser LKW von heute morgen auf. Wie ein altersschwaches Kamel torkelt er auf dem Wüstenpfad dahin, quält sich auf die Straße herauf. Er ist haushoch mit Säcken beladen, die Steine und Sand enthalten, sicher für Befestigungen an der Grenze zu Israel. Im Fahrerhaus ist kein Platz. So schultern wir die Rucksäcke und erklimmen über die Motorhaube die Ladung. Dann verankern wir die Rucksäcke und uns selbst so gut wie möglich an den Haltetauen. Der Fahrer stellt uns noch zwei Decken zur Verfügung, und schon holpert das Dieselkamel mit uns durch die Nacht. Mehr als 20 km pro Stunde schafft der Wagen nicht. Und bis Marsamatru sind es 150 km ! Das sind etwa acht Stunden Fahrt !

Dieselkamel
Aber wie gemütlich kann man auf Steinen liegen ! Alles ist in Bewegung: der Wagen, die Gedanken, die Erde auf der man rollt, der Mond und die unendliche Weite des gestirnten Himmels. Wie fremdartig und klein wird das Leben in der Stille der Nacht, in der grenzenlosen Ferne einer leblosen Wüste, unter der majestätischen Höhe des Sternenhimmels ! Karl hat eine halbe Flasche Brandy dabei. Die genießen wir Schluck für Schluck. Zwischendurch singen wir Wanderlieder – auf Deutsch und Englisch: “Wilde Gesellen, vom Sturmwind umweht, ehrlos bis unter die Hoden” (bis unter den Boden).

 Wir müssen die Köpfe niedrig halten. Ab und zu hängen Telegrafendrähte über die Straße, die uns vom Wagen reissen könnten. Und einschlafen dürfen wir auch nicht. Sonst könnten wir von unserem Hochsitz rutschen und unsanft auf dem Asphalt landen.


Teestube in der Wüste
Noch ist es Nacht. Noch rollt der LKW. Zweimal ist Pause. In Blechhütten am Strassenrand spendiert man uns Tee. Dazu essen wir Fladenbrot, Bohnen und Thunfisch. Ausserdem malt der LKW-Fahrer mit dem Zeigefinger ein Hakenkreuz in den Sand und berichtet von den Heldentaten des General Rommel. Als Deutscher ist man hier wahrhaftig beliebt.
Deutsches Kriegsdenkmal
Schließlich kommen wir in Marsamatru an. Den Rest der Nacht verschlafen wir wieder einmal auf dem Fußboden einer Polizeistube.

Gleich morgens soll es in Richtung Alexandria weitergehen. Aber es existiert kein Verkehr. Den ganzen Tag über hängen wir am Ortseingang fest. Das ist langweilig. Aber ein Tramp muß warten können. Erst am Nachmittag hält ein Jeep, der uns die 280 km bis Alexandria fährt. Gegen Abend treffen wir dort in der Jugendherberge ein.

zwei Kamele
  6. Dezember, Adventssonntag

Ruhetag. Viel Schlaf. Erholen uns von den Strapazen der Reise. Aber keine Weihnachtsgefühle.



SÜDSEE-IMPRESSIONEN 12.12.1978 – 13.1.1979

Suva, Fidschi, 12.12.1978

Wieder einmal bin ich unterwegs nach Tonga. Es ist eine Mission. Ich will Ruby nach Sydney holen, die jüngste Tochter meiner Frau. Der Papierkrieg für die Einwanderung nach Australien war mühsam und teuer.

Heute früh flog ich mit Quantas (Queensland and Northern Territories Air Services) von Sydney nach Nandi, dem internationalen Flugplatz von Fidschi auf der Insel Viti Levu. Nachmittags ging es mit einer Maschine der “Air Pacific” nach Nausori auf der Ostseite der gleichen Insel weiter. In dem australischen Jumbo roch es anfänglich stark nach Urin. Aber gutes Essen und Rotwein liessen es vergessen. Der lokale Flug wurde durch das Schreien von Kindern verschönt, denen das Auf und Ab unter den Gewitterwolken nicht gefiel. Einmal passierten wir im Nebel in fast greifbarer Nähe eine Bergkuppe. Wie oft schon musste ich auf Reisen meinem Schutzengel danken?! Zum Glück dauerte das Vergnügen nur eine halbe Stunde. Dann rollte die kleine Maschine sicher auf dem Flugfeld aus.


Der Bus der Fluggesellschft fuhr auf dem Weg nach Suva, der Hauptstadt, in den Sonnenuntergang hinein. Der Himmel schien zu brennen. Ich steckte die Nase aus dem Fenster und atmete tief ein. Keine Benzinabgase mehr, nur regenfeuchte Pflanzendüfte, eine Luft, die man mit Löffeln essen möchte, garniert mit Schlagsahne. Und immer schneller lief der Schweiss. Dabei sind es höchstens 32 Grad!

Im “Pacific Guest House”, wo ich wie immer unangemeldet erschien, gab es tatsächlich noch einen Raum für mich. Die Wirtin erinnerte sich an mich und gab mir ein Doppelbett. Zu Weihnachten im Jahre 1972 durchtanzte ich mit einem ihrer kraushaarigen Zimmermädchen eine Nacht so lange bis ich eine feuchte Hose hatte. Das Mädchen ist inzwischen mit einem Neuseeländer verheiratet. Ich bekam den besten Ventilator des Hauses. Auf dem Nachtisch lag die Bettlektüre: Readers Digest – “Was Männer wirklich von Liebe und Sex halten.” Die Wirtin sagte: “Ich gab Dir ein Doppelbett, damit Du…” Sie lächelt vielsagend.

Im Haus riecht es stärker nach Urin als zuvor. Ein kleines Indiz für die wirtschaftliche und politische Entwicklung nach der Unabhängigkeit? Als Afrika-Reisender kennt man die Symptome. Fidschi war eine englische Kolonie.

In der “Travellodge” wechsle ich Geld. In den Lokalen verrechnen sich die Ober gerne wenn sie australische Dollars in Fiji Dollars umrechnen müssen.

Im Chinesenlokal sind die Haifischflossen-Suppe und der Langusten-Cocktail noch immer eine Gaumenfreude. Das Fiji-Bitter und der Ventilator sorgen für innere und äussere Kühlung. Die Kellnerin versucht sich sogar an einem “Iced Tea” für mich. Sie bringt einen heissen Tee und macht ihn mit einem Eiswürfel lauwarm. Ich bedanke mich für den guten Willen. Anfänger würden fluchen.

Dann ist es Nacht. Ich kann nicht schlafen und bummle durch schwach beleuchtete Strassen, immer dicht an den Hauswänden laufend – wegen der Rückendeckung. Betrunkene Fidschis torkeln wie Schimpansen zickzack über den Gehsteig. Fragt einer nach der Uhrzeit, dann schaue ich immer erst ob er ein Messer hat bevor ich antworte. Südseeromantik will mit Vorsicht genossen sein.

Es zieht mich ins “Tropicale”. Dort tanzten im Jahre 1972 die Mädchen mit ihren kleinen braunen Rundpopos so nett auf den Tischen. Heute ist das Haus fast leer. Die Band spielt laut und aufreizend. Zwei Ober schlafen auf dem Billiardtisch – in Polsterklasse sozusagen. Die Gäste sitzen auf Plastikstühlen. Die Band spielt “La Paloma”. Ein schnauzbärtiger Inder mit Hitlerlook fordert mich zum Tanz auf. Ich zeige ihm tonganischen Tanzstil. Es erregt ihn so sehr, dass er immer näher kommt. Ich würde ihm gerne mein rechtes Knie gezielt zwischen die Beine setzen, habe aber Mitleid. Sein betrunkener Fidschi-Freund wirft eine leere Bierflasche auf den Fussboden – aus Eifersucht? Eine Bardame räumt auf. Ich spendiere Bier und Zigaretten, bekomme eine Taxifahrt mit anschliessender Beglückung angeboten. Ich antworte, dass ich mal schnell auf die Toilette muss. “Bitte verlass mich nicht”, flüstert “Adolf” mir zu. Durch eine Hintertür entfliehe ich dem warmen Lokal.

Unterwegs trete ich noch drei grosse Kakerlaken tot. Das knackt so melodisch auf den leeren Bürgersteigen. Durch die Zielübung teste ich gerne ob ich noch nüchtern bin. Das Hobby stammt aus meiner Zeit in Egypten. Ein Polizist mit Afro-Haarstil und weissem Fransenrock schaut mir gelangweilt zu. Aus allen Fenstern klingt Musik. Die Luft ist stickig-heiss und stark Vitamin-E haltig. Ich muss an den alten deutschen Spruch denken: “Die Männer auf den Fidschi-Inseln die haben Widerhaken an den Pinseln”.

Dann gibt es in Suva noch den “Golden Dragon” (Goldener Drachen). Aus den Fenstern klingt aufdringlicher Südseebeat. Ich lasse mich an einem Tisch nieder, bestelle Rum und Coke mit Eis. Der Ober ergänzt: “…und eine scharfe Puppe” (…and a randy bird). Im zuckenden Licht der Tanzfläche zeige ich meinen Ehering. “Na, das macht doch nichts” meint er. Aber er wendet sich mitleidvoll ab und bringt mir meinen Drink. Dann erscheint Akusita – mit engen Jeans und italienischem Pulli. Der Pulli hat die italienischen Nationalfarben. Im bunten Licht heben sich die Brustwarzen unter dem weissen Stoff ab. Verheissungsvoll öffnen sich die Hüften. Aber ich erzähle ihr von meiner Frau, bezahle ein Bier und die Taxifahrt nach Hause. Am Strand sitze ich anschliessend auf einer Bank, schaue in den Mond und träume. Etwas später singt der Ventilator mich in den Schlaf.
Suva, Uferpromenade
Nachwort (30.5.2011)
Den “Goldenen Drachen” gibt es noch immer. Im Internet tipp ein: GOLDEN DRAGON, SUVA, FIJI und SUCH danach. Klick auf die beiden Fotos und schau Dir die Videos an. Rechts auf dem Schirm kann man dann noch mehr Fiji-Musik miterleben. Mir kommen dabei vor Fernweh fast die Tränen. Und nun knacken die alten Gelenke.

SUVA, 13.12.1978

Beim australichen Konsulat ist der Beamte sehr höflich und bittet mich sogar in sein Büro. Lupi’s Pass wird in etwa zwei Wochen fertig sein. Tisna’s Cousin ist Sekretär des Königs von Tonga. Er hat im Hintergrund für uns an einigen Drähten gezogen. So können wir die Wartezeit getrost in Tonga verbringen.

Vorher kaufe ich noch ein. Kleidung und technische Artikel sind in Fidschi billig. Aber man muss im Umgang mit den indischen Verkäufern vorsichtig sein. Sie sind gerissene Geschäftsleute. Etwa die Hälfte der Bevölkerung ist indischer Herkunft. Sie wurden einst als Plantagenarbeiter von den Engländern importiert. In dem gesunden Klima vermehrten sie sich sehr schnell, zum Leidwesen der Fidschi-Insulaner, die sich nun bevormundet und ausgebeutet vorkommen. Mangels Geschäftssinn und Ausbildung sind sie den strebsamen Indern unterlegen.

Abends mache ich es mir im Dachgarten des Suva-Hotels gemütlich. Ein Tonganer hat dort einen Tanz organisiert. Er und sein Fidschi-Freund begrüssen mich mit Handschlag. Sie sagen mir, dass sich Touristen hierher selten verirren. Sie wollen unter sich sein und mit den Einheimischen nichts zu tun haben. Als ich erwähne, dass ich mit einer Tonganerin verheiratet bin, steht der Verbrüderung nichts mehr im Wege. Das Bier fliesst reichlich. Ein Gewitterguss klatscht in die verwinkelten Strassen unter uns und auf die Wellblechdächer der ältlichen Häuser im Kolonialstil.

Mein neuer Fidschi-Bruder berät mich in Familienpolitik: “Was, Du heiratetest eine Frau mit fünf Kindern und hast noch kein eigenes?” – “Also morgen gehst Du zu einem Zauberdoktor, nicht zu einem der Geld haben will. Du erklärst ihm Dein Problem. Er wird Dir eine Handvoll Wurzeln und Kräuter geben. Daraus machst Du einen Tee. Dann wartest Du bis Deine Frau wieder ihre Periode hat. Nicht am ersten Tag, nicht am zweiten Tag, nicht am dritten. Aber dann und vor Mitternacht. Weil es vor Mitternacht ein Junge wird. Der Zauberdoktor wird Dir alles erklären.” Ich bedanke mich für den guten Rat. Und ich sage, dass ich nie ein guter Fussballer war. Deshalb schiesse ich wohl immer am Tor vorbei.  Zum Abschied muss ich als Andenken meinen Kugelschreiber herausrücken. Auf dem Griff befindet sich ein Foto von einem Mädchen, das den Bedeanzug sinken lässt. Es war ein Geschenk von Tisna zum Muttertag. Den Kugelschreiber sollte ich eigentlich dem Zauberdoktor geben, weil der kein Geld nimmt. Doch morgen bin ich ohnehin in Tonga.

Tonga, 14.12.1978

Bis zum Fuamotu-Flugplatz in Tonga fliegt man von Fidschi nur ein paar Stunden. Zur Begrüssung spielt zwar keine Polizeikapelle. Aber Tisna, ihre Schwester Kalisi und Lupi, Evelyn und Christopher sind zum Willkommen erschienen. Kalisi breitet ein Tapatuch aus Maulbeerbaumrinde auf dem Boden aus, Ersatz für einen roten Teppich. Dann begrüssen sie mich mit abgestrecktem Arm und “Heil Hitler” als den “King of Germany”. Umstehende schauen neugierig zu. Ich erkläre, dass ich diese deutschen Wörter leider nicht verstehe.

Sie begrüßte den "King of Germany"
Dann drücke ich Lupi in die Arme, die “Hallo Daddy” sagt. Der Taxifahrer beeilt sich. Durch ungezählte Schlaglöcher und Wolken aus Korallenstaub holpern wir nach Nuku’alofa, der Hauptstadt. Bei der Ankunft in Kalisi’s Haus gibt es noch einmal eine grosse Begrüssung. Nachbarn, die mich nicht einmal kennen, bringen Schalen mit frischen Früchten als Gastgeschenk. In Tonga gibt es viele Höflichkeiten dieser Art, die es verursachen, dass der Abschied immer so schwer fällt.

Insel Lifuka, Ha’apai, Weihnachten

Wir bleiben nur wenige Tage in Nuku’alofa. Uns zieht es auf Tisna’s Heimatinsel Lifuka, wo das Leben billiger und alles ursprünglicher ist als auf der Hauptinsel Tongatapu.

Vorher fliege ich noch für zwei Tage zur Insel Eua. Der Flug dauert nur sieben Minuten. Man bekommt so einen guten Blick auf die Geografie von Tongatapu und Eua. Auf Eua übernachte ich bei Doktor Pusijaki, wie sein Spitzname lautet. Grosser Luxus im Haus des Arztes: eine Badewanne mit erstklassig funktionierender Dusche. Frau Pusijaki verwöhnt mich bei Kerzenschein mit Jams, Süsskartoffeln und einem ausgewachsenen Hummer. Ich bringe als Geschenk eine Büchse Corned Beef, Moskitoringe und Streichhölzer.

Eua sieht aus wie eine Insel, die am Umkippen ist. Auf einer Seite eine beeindruckende Steilküste, die dann zur anderen Seite der Insel teilweise steil abfällt. Daneben der Tonga-Graben, eine der tiefsten Stellen im Pazifik mit mehr als 10.000 Meter Tiefe. Dort könnte man den Mount Everest versenken. Hier reiben sich zwei tektonische Erdplatten an einander und verursachen eine Menge Erdbeben. Es ist ein Teil des “Ring of Fire”. Vulkane bilden rings um den Pazifik eine oft Feuer und Asche speiende Berglandschaft. Eua ist teilweise dicht von tropischen Regenwäldern überzogen. In einem Naturreservat stehen eine Menge Sandelholzbäume. Sandelholz war zur Zeit der Segelschiffe eine begehrte Handelsware. Ich unternehme auf eigene Faust einen Marsch von etwa 25 Km entlang des Bergkammes. Die Anstrengung lohnt sich wegen der wunderschönen Natur und dem Blick auf die noch unerschlossenen Wälder am Boden der Klippen auf der Südseite der Insel. In den Dörfern sieht man Spuren von einem Erdbeben, das vor einem Jahr hier 40 Steinhäuser zerstörte. Mit Neuseelands Hilfe wurden als Ersatz Holzhäuser errichtet. Denen wird das nächste Beben weniger anhaben können.

Drei Tage vor Weihnachten fliegen wir mit den Kindern nach Ha’apai. Die Schiffsverbindungen sind zu unverlässig. Die “Olovaha”, die sonst den Fährdienst versieht, ist vor einiger Zeit mal beinahe mit Mann und Maus bei Ha’apai versunken. Jetzt wird sie auf Kosten der deutschen Bundesregierung für zwei Millionen Mark überholt. Seit dem Freundschaftsvertrag mit der Bundesrepublik hat die Hamburger Columbus-Linie den internen Schiffsverkehr in Tonga übernommen. Zwei Handelsschiffe befinden sich in Deutschland ebenfalls im Bau. Und die kleinen Personenboote, die sonst vollkommenn überladen Passagiere befördern, sollen nun endlich Schwimmwesten bekommen. Dazu trug der Untergang der “Tokumea” bei, die Ende 1977 nördlich von Vavau mit über 60 Passagieren in einem Hurrikan versank, die bisher schlimmste Schiffstragödie in Tonga. Das Schiff war überladen, hatte ein mit Tapatuch und Zement gestopftes Leck, kein Funkgerät und kaum Schwimmwesten.

Nachtrag: Am 5. August 2009 versank in Ha’apai die “Ashika”, die ein schwimmendes Wrack war. Von 128 Passagieren ertranken 74, hauptsächlich Frauen und Kinder, aber auch fünf Touristen, zwei davon ein junges deutsches Paar. Nach der Gerichtsverhandlung landeten mehre Verantwortliche im Gefängnis.

Schön ist stets der Flug nach Ha’apai, der rund 30 Minuten dauert. Die “Friendly Islands Airways” hat eine sechssitzige Maschine, die niedrig fliegt. Wie Opale liegen die Inseln mit ihren Riffen im Meer. Ich habe die Landkarte studiert und kann viele der Inseln beim Namen nennen. Wie eine grosse geöffnete Halskette winden sich die Hauptinseln der Ha’apai-Gruppe von Norden nach Süden: Haano, Foa, Nukunamo, Lifuka, Uoleva, Tatafa und Uiha.

Nachtrag: Ich war bei der Nachfolgegesellschaft “Royal Tongan Airlines” für einige Zeit der Hauptbuchhalter und organisierte die Buchhaltung. Diese Gesellschaft ging ebenfalls längst Pleite. Das lag aber nicht an mir.