Thursday 28 March 2013

MAX UND DIE CHOLERA

Our "Removal" from South Africa to Australia lasted from 30.4.1970 to 9.11.1970. We flew, travelled by ship and travelled overland. We passed through eleven countries around the Indian Ocean. That's why the trip took so long.


The most fascinating country was India. It has its ups and downs though. Max recorded one of the downs in his diary. I did not translate it into English because the flavour of his Swiss German would get lost. English speakers may have to hit the TRANSLATE button. Hope that helps.

India, Mysore, 10.8.1970

                                                            

Am 10. August haben wir in Madras den 7.30 Uhr Express geschnappt, der uns via Bangalore nach Mysore brachte, wo wir z'Abig spät eingetroffen sind. Wir stiegen im Ashok-Hotel ab, das recht billig war, und fanden noch ein ebenso preiswertes Lokal. Preiswert kann teuer werden.

In dieser Nacht und am darauf folgenden Morgen hatte ich im wahrsten Sinne des Wortes eine verschissene Zeit, stündliche Entleerung von Magen und Darm und das fast gleichzeitig. Anfangs lief ich noch zur Toilette. Später kroch ich. Am Morgen stieg mein Fieber auf 39.4 Grad Celsius. Am frühen Morgen machte Manfred einen Erkundungsausflug in's Städtchen um die Lage des Krankenhauses anzupeilen. Nach seiner Rückkehr zog er meinen Arm über seine Schulter, und wankenden Beines machten wir uns auf den Weg zum Krankenhaus.

                             "Receptionist" at hospital entrance

Der Oberarzt hat dann gemeint ich solle für zwei oder drei Tage zur Überwachung und Behandlung im Krankenhaus bleiben. Nach Vergewisserung, daß der Krankenhausaufenthalt und die Behandlung gratis sind, habe ich zugestimmt. Der Oberarzt hat dann noch vorgeschlagen der Manfred könne seinen Schlafsack neben meinem Bett entrollen um da z'schlafen. Wir haben dann aber gefunden das sei nicht nötig. Es langet wenn einer von uns beiden krank ist. Manfred ist allerdings gegen Cholera geimpft.



In einem Saal mit 18 Betten hat man mir dann eins zugewiesen, in das ich mich mit gemischten Gefühlen, aber nicht zuletzt dankbar, eingenistet habe nachdem ich d'Sandalen von den Füssen streifte. Der Manfred ist dann losgezogen um d'Medikament, die man uns aufgeschrieben hatte, im Städtli für mich z'holen. Das allerdings ist dann nicht mehr gratis gewesen.

Der Bettnachbar zur Rechten hat versucht d'Krankenhaus-Athmosphäre z'vergolden indem er mich umsorgt hat wie ne Henne. Der junge Student zu meiner Linken ist von seinen Angehörigen ziemlich verwöhnt worden. Jeden Tag so zwei bis dreimal hatte er ca. zehn Personen um sein Bett versammelt, die ihn mit Dr. Wanders Ovaltine, Horlick und anderen Leckerbissen verwöhnten. Aber es wird nicht jedem Patienten Würfelzucker in'n Arsch geblasen. Die gegenüberliegende Bettreihe hatte weit schwerwiegendere Fälle aufzuweisen, hauptsächlich Lungenkranke infolge Unterernährung. Den ganzen Tag und besonders nachts hat dann ab und zu mal einer angefangen zu röcheln, und sofort haben andere Patienten bei dieser Gelegenheit von Ruhestörung, sofern es überhaupt mal ruhig war, mit ihrem Röcheln eingesetzt, um gemeinsam im Chor zu steigern zum Hüsteln und Husten zum Crescendo mit Schluss- und Knalleffekt, daß man hätte meinen können, dem Einen oder Anderen sei ein Lungenflügel verreist.

Zweimal am Tag hat man dann bei den armen spinnbeinigen Patienten rausgemistet indem ein Pfleger mit einem Arm den Kranken in dessen Körpermitte aufgehoben hat und mit der anderen Hand d'Wolldecke so daß d'Schwester ungehindert den Dreck untenfüre schaufeln konnte.

Apropos Krankenschwestern. Das ist eigentlich noch ein Lichtblick gewesen in dieser düsteren Athmosphäre. Ich hab mir bald eine Halskehre aufgelesen zufolge schweifenden Blickes wenn sie zwischen den Bettreihen durchgeloffen sind. Indien ist wie ein grosser Kuchen gespickt mit Rosinen. Die suchten und genossen wir dann.

Zweimal am Tag und zweimal in der Nacht hat eine Schwester die Runde gemacht um Puls und Fieber z'messen. Jeden Tag zweimal hat der Oberarzt Visite gemacht, und zweimal während meinem Krankenhaus-Aufenthalt ist der Chefarzt aufgetaucht mit dem ganzen Kometenschweif von Untertanen hinter sich. Den Guy musch dänn mit "Sir" anreden. Wenn der Boss jeweils im Anzuge war, dänn sind alle Besucher zum Teufel gejagt worden um sich, wenn er vorbei war, wieder aus ihrem Versteck hervor zu wagen. An geregelte Besuchszeiten hielt sich kein Mensch. Da sind eben auch noch die Dauerbesucher, die da grad mit einer Matratze auf dem Buckel ihre Angehörigen besuchen um sich an deren Seite häuslich niederlassen zu können für ein paar Tage. So warst Du dann manchmal am Rätseln, um die Kranken von den Gesunden unterscheiden zu können insofern eben sowieso viele Kranke am Boden auf einer Matratze liegen, da d'Betten knapp sind.

Wo ich einen Arzt fragte wie das mit dem Essen sei, ob man da was kriegen könnte von der Spitalküche, so hat er gemeint, das sei nur für die hoffnungslosen Fälle. Das könne ein Normalkranker nicht essen. Normalerweise bringen die Angehörigen von den Kranken privates Essen mit. Zweimal am Tag ist ein Pfleger mit einer Kiste voll Brot vorbei gekommen und hat jedem Patienten eine Scheibe ausgeteilt, auch denen Fällen für die noch Hoffnung bestand.

"Kuhdamm" nahe Bombay (Mumbai)

Dicht hinter dem Brotausteiler kam ein Kuhhirt mit einem Messingkübel voll frisch gewonnenem warmen Kuhsaft durch d'Bettreihen und hat jedem Patient eine Schöpfkelle voll von dieser leicht rötlichen Milch in die verschiedenen Trinkgefäße ausgeteilt. In Indien wird alle Milch gesüßt und gefärbt weil die Kühe heilig sind und niemand reine Milch trinken würde. Als ich dann fragte, ob denn keine Tuberkulose-Bakterien in der Milch drin seien, so hat dann ein Krankenhaus-Besucher gemeint: "Indische Kühe haben keine Tuberkulose, und sie geben auch viel bessere Milch ab als die Kühe in Europa." Das möchte ich aber leicht bezweifeln, wenn man jeweils die Kühe auf den Strassen beobachten kann, wenn sie Grinds voran in eine Mülltonne inne tauchen und zwischen Dreck, toten Ratten und anderen unappetitlichen Dingen nach etwas Fressbarem suchen.


Also zweimal am Tag wurde so eine Kuh mit ihrem Kalb ins Areal vom Krankenhaus getrieben. Zuerst hat man das Kalb drangelassen damit die Zitzen sauber werden, und nachher hat dann einer die Kuh gemolken. Weil ich infolge von Durchfall und Erbrechen viel Wasser verloren habe, so hat man mir einen halben Liter Zuckerwasser oder so etwas ähnliches in die Vene laufen lassen. Manfred hat Kokosnüsse, Bananen und Biscuits angeschleppt um mein Wohlbefinden zu verbessern.

Die sanitären Anlagen, insbesondere die Toiletten, möchte man nicht näher beschreiben. Ich kann dazu nur sagen, daß jede Bahnhofstoilette in Indien besser ist. Z'Abig um acht Uhr wird das Wasser im Krankenhaus abgestellt. Für Magen- und Darminhalte, die nach dieser Zeit entleert werden, besteht die Tendenz, daß sie leicht antrocknen in den Closets und Keramikschüsseln bis zum frühen Morgen wenn s'Wasser wieder angestellt wird. Ja, am frühen Morgen kommt Leben in die Bude. Beim einen oder anderen Bett tropft es durch die Matratze auf den Boden wo sich Seen bilden. Ein Spinnbeiniger hat anscheinend während der Nacht Hunger bekommen und hat mit einem seiner dürren Arme nach einem Aluminiumkessel gelangt, der auf dem rostigen Komödli neben seinem Bett stand und hat sich d'Mahlzeitreste vom Abend vorher unbeholfen über seinen Kopf und s'Bett geleert. Zwei Schwestern gehen von Bett zu Bett um die Leinentücher frisch auszustrecken. So machte ich die Feststellung, daß meine Matratze schon reichhaltig beringt war, was auf ein hohes Alter schliessen ließ.


                                  Healthy Indian milk cow

Die Löcher im Betonboden des Badezimmers machen es unverkennbar, daß hier einst einmal eine Badewanne gestanden haben muss, deren Verankerung rausgemeisselt worden ist. Darüber hängt ein Boiler, der sage und schreibe funktioniert. Das vertikale Auslaufrohr des Boilers geht über einen 90 Grad Bogen in die Horizontale, und an dessen Ende ist nichts mehr. Dort muss das verchromte Buntmetallventil gesessen haben, das stolz über der emaillierten Badewanne thronte. Man bedenke die schlechte  Entlohnung.

Da ragt noch ein anderes Rohr aus der Wand, auch ohne Hahn an dessen Ende. Und darunter steht ein entzwei geschnittenes rostiges Petrolfaß. "Dust Bin" steht darauf geschrieben - um überflüssiges Wasser aufzufangen. Der Wasserfluss wird von der Hauptverteilerbatterie im Keller unten gesteuert.

Einmal war da plötzlich ein Rauschen in der Luft. Ein schwarzes Etwas segelte durch die miefige Krankenhaus-Athmosphäre und landete schliesslich auf dem mittleren der drei von der Decke herunter hängenden Lampenschirme. Die olle Krähe peilte die Lage und freute sich in ihrem tiefsten Innern über den reich gedeckten Tisch respektive Boden mit all den vielen duftenden Herrlichkeiten, die da vor ihren Augen ausgebreitet lagen. Aber ihr Weg zu den Leckerbissen war mit Steinen gepflastert. Ihre Anwesenheit mißfiel einigen Patienten, die anfingen ihre dürren Ärmchen in der Luft kreisen zu lassen, anzuschauen wie grosse Ventilatoren, bei denen die Flügelnieten lose sind. Die Krähe lachte natürlich über solch stümperhafte Versuche sie zu verscheuchen und wechselte über auf das Eisengeländer am Kopfende vom Bett des Spinnbeinigen, der sich vorhin sein Essen über den Kopf geleert hat und sich nun der Erschöpfung nahe von dieser Anstrengung erst erholen musste. Die schlaue Krähe wusste natürlich wo die schwachen Punkte ihrer Widersacher lagen. Am Bettgestell wetzte sie sich erst einmal ausgiebig den Schnabel und machte ihren Morgenschiß. Dann sprang sie runter auf die Bettkante von wo aus sie das habvolle Essgeschirr unter dem Nachbarbett erblickte. Sie sprang auf den Boden zum Ranpirschen. Mit grossen federnden Seitwärtsschritten näherte sie sich ihrer Lieblingsspeise - Mutton Curry and Rice. Es wurde heruntergewürgt was nur rein ging; denn schon kam ein Pfleger wild gestikulierend  angerannt. Mit einem all zu dicken Fleischbrocken im Schnabel verließ die Krähe das Schlachtfeld. Beim Abflug aus dem Saal raste sie beinahe wegen Kopflastigkeit an die Querwand des anschliessenden Wendelganges, weil das extra Gewicht fast ein Abreissen der laminaren Luftströmung an den Flügelvorderkanten verursachte und somit das ganze Unternehmen Mutton Curry für eine bange Sekunde in Frage stellte.

 
Monkey temple

Das Krankenhauspersonal tat seine Pflicht ausgezeichnet so gut es eben die primitiven Verhältnisse zuliessen. Es wurde kein Patient bevorzugt oder benachteiligt gegenüber anderen. Einer Schwester, die ich besonders gut leiden mochte, rein platonisch natürlich, habe ich meine letzte "Life Boy" Seife gänzlich vermacht nachdem ich sie ihr vorher schon ein paarmal ausgeliehen hatte, da solcher Luxus im Krankenhaus nicht aufzutreiben war.

Nach zwei Tagen waren meine Gebeine wieder manövrierfähig. Am 13. August morgens um neun Uhr kam mich Manfred abholen. Er war in Begleitung von Vreni und Ursina, die inzwischen auch in Mysore eingetroffen waren. Die beiden Schweizerinnen waren von Westafrika durch den Tschad zum Sudan getrampt und wollten sich wie wir noch etwas mehr in der Gegend umsehen.

Am nächsten Tag bestiegen Manfred und ich um zwölf Uhr den Zug, der uns via Arsikere und Poona, wo wir jedesmal umstiegen, nach Bombay brachte, das wir nach 33 Stunden Bahnfahrt erreichten.



Am nächsten Tag war Sonntag, und wir benutzten die Gelegenheit zum Geld wechseln. Der Taxifahrer mit der Nummer 746, ein alter Fuchs, den wir schon von unserem ersten Bombay-Aufenthalt kannten, gab uns 600 Rupees für 200 Mark. Mehr war einfach nicht rauszuholen. Die höchste Rate für Mark war in Colombo, wo wir 315 Rupees für 100 Mark erzielten.

Die Cholera gab es umsonst.

                                                 Im Zoo

                                              Hand job