Friday 8 July 2011

LAVA

17.9.2000, SAWAII, SAMOA

Als ich per Bus über die Lava-Felder der Insel Savaii fuhr, kam ich mir plötzlich ganz klein vor. Deshalb übersetze ich mal eine Kurzgeschichte von Albert Wendt. Er ist der bekannteste Schriftsteller von Samoa. Der Name erinnert an die deutsche Kolonialzeit. Er sieht aber nicht deutsch aus.

LAVA

"Diese Welt, von der die Menschen glauben, dass sie sie unbedingt besitzen müssen, gibt es in Wahrheit nur in den Filmen, weil die Menschen die Filme machen. Verstehst Du mich?" sagt Tangata. Ich schüttle den Kopf. "Okay, ich erkläre es Dir mal anders." fährt er fort. "Hast Du die Lava-Felder von Sawaii gesehen?" Ich schüttle wieder den Kopf. "Vor zwei Jahren war ich mit einigen Freunden dort. Du fährst meilenweit durch den Wald und durch viele Dörfer wo die Menschen die Schönheit der Natur ruiniert haben. Und dann....und dann sind sie plötzlich da. Und Du fühlst, dass Du plötzlich mitten drin bist. Verstehst Du? Als wenn Du da bist wo der Frieden ist, wo all die schmutzigen kleinen Orte und Lügen und Denkmäler, die wir uns machen, nichts bedeuten, weil Lava nichts als Lava sein kann. Verstehst Du?" Er hält für eine Weile inne und schaut mich an. "Die Lava reicht meilenweit bis zum Meer. Sonst nichts. Nur schwarzes Schweigen, vielleicht wie der Mond. Denkst Du noch an den Film den wir als Jungs mal vor Jahren sahen? Ja, so sieht es aus, wie die Oberfläche des Mondes in diesem Film. Eine Flut von Lava überall. Aber an einigen Stellen kannst Du kleine Pflanzen sehen, die in den Spalten der Lava wachsen, wie lustige Geschichten, die aus Deinem versteinerten Gehirn brechen, verstehst Du mich? Ich fühlte als hätte ich mein ganzes miserables Leben lang danach gesucht. Junge, auf einmal sah ich alle Dinge klar. Dass es keine Rolle spielt ob Du ein Zwerg oder ein Riese bist oder ein Heiliger." Tangata's Augen leuchteten hell. "Dass wir alle gleich sind vor dem Schweigen, vor dem Nichts in der Lava. Ich wollte die Lava-Felder nicht verlassen. Aber....aber Du kannst dort nicht für immer bleiben; denn Du wirst vor Durst und Hunger sterben wenn Du dort bleibst. Es gibt dort kein Wasser, kein Essen, nur Lava. Alles ist Lava.
 
   
Es sind aber die kleinen Pflanzen, die das Tröstende an dieser Lava sind - wie die Auferstandenen nach der Schlacht bei Armageddon, wie Kinder, die nach einem Bombenangriff auf den Trümmern spielen; denn sie sind unschuldig, und es treibt sie nur die Gier nach dem Leben. Und dann die Menschen, deren Häuser unter der Lava begraben sind, die ihr Leben nur einer Laune der Natur verdanken. Und sie bauen neue Häuser auf der Lava und beschaffen das Wasser und Essen von anderswo, weil sie das Land nicht verlassen wollen. Samoanische Philosophen?

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