Friday, 15 July 2011

DIE MAGD DER KÖNIGIN

Es war einmal ein König in Tonga der hatte eine Frau namens Fatafehi. Fatafehi hatte eine Magd die Manuna hiess, und die beiden waren sehr gute Freundinnen. Solche Beziehung zwischen Herrin und Dienerin ist recht ungewöhnlich. Aber die Zuneigung und Freundschaft dieser beiden Frauen war wirklich echt. Ohne zu zögern dürfen wir dabei an die Beziehung zwischen König David und Jonathan denken, über die wir in der Bibel nachlesen können.

Aber so wie die Schlange in den Garten Eden kroch und das glückliche und friedliche Leben von Adam und Eva zerstörte, so schlich sich die Wollust ein und zerstörte das glückliche und friedliche Leben der beiden Freundinnen.

Manuna war eine sehr schöne Frau, und der König von Tonga beobachtete sie wenn sie hin und her lief und die Königin bediente. Die Wollust befiel sein Herz und wurde wie eine Krankheit. Nachts konnte er nicht schlafen, weil er an Manuna denken musste. Die Sehnsucht nach ihr nagte an seinem Herzen und hielt ihn wach.

Eines Abends hatte Manuna ihre Pflichten für die Königin erfüllt. Sie hatte das Bett zubereitet und sah Fatafehi einschlafen. Dann zog sie sich in ihr eigenes Schlafgemach zurück. Dort wartete bereits der König auf sie und zwang sie ihm zu Willen zu sein. Manuna war sehr traurig, nicht etwa weil sie die Liebe des Königs abstossend fand. Aber sie hasste es ihre geliebte Königin zu betrügen.

 Sie sprach über den Vorfall nicht mit Fatafehi und hoffte, dass der König sie nicht mehr behelligen würde nachdem seine Lust gestillt war. Aber der König von Tonga konnte nicht von ihr lassen. Trotz ihrer Tränen und ihres Flehens besuchte er sie immer wieder, denn der Geschmack ihres Körpers steigerte nur seinen Appetit auf ihre Liebe.

Dann kam der Tag an dem Manuna bemerkte, dass sie ein Kind erwartete. Weinend lief sie zu Fatafehi, bat um Verzeihung und um die Erlaubnis in ihren Geburtsort auf der Insel Mo'unga'one zurückkehren zu dürfen. Sie erwartete Wut und einen Zornausbruch von ihrer königlichen Herrin. Aber auf das was geschah war sie vollkommen unvorbereitet. Sobald sie ihr Flehen um Verzeihung beendet hatte erhob sich Fatafehi, umarmte Manuna und sagte:
"Meine Pflicht für meinen Herrscher ist erfüllt; denn ich habe für ihn meine Tränen getrocknet. Natürlich wirst Du nach Mo'unga'one zurückkehren. Aber das Kind in Deinem Leib gehört mir. Geh, liebe ihn und sorge für ihn; denn er, mein Sohn, ist der Erbe, der Sohn einer Königin."

So kehrte Manuna nach Mo'unga'one zurück und gebahr dort einen Knaben. Sie nannte ihn Fakana'ana'a (Tränentrockner) - nach den Worten der Königin. Der Sohn entwickelte sich wunderbar. Im Handumdrehen wurde aus ihm ein attraktiver junger Mann, ausgestattet mit körperlicher Schönheit und Charakter. Manuna lehrte ihren Sohn alle Fertigkeiten, die ein tonganischer Jüngling beherrschen sollte. Er war ein erstklassiger Fischer, ein guter Gärtner, und niemand übertraf ihn im Umgang mit Auslegerbooten. Er wurde ein erfahrener Navigator, der die verborgenen Geheimnisse des Himmels und des Meeres kannte. Er lernte die Pflichten eines tonganischen Mannes und eignete sich ein umfangreiches Wissen der Sitten und der Kultur an. Er wusste alles was man über Pflichten und ihre Erfüllung lernen konnte. Solch ein Mann war Fakana'ana'a.

Die Jahre vergingen, und der Tag kam, an dem der König starb. Wenn damals ein tonganischer König starb dann erforderte es der Brauch, dass seine Frau stranguliert und mit ihm begraben wurde. Das stand also Fatafehi bevor. Als man sie zur Strangulierung führte kniete sie nieder, und man legte ihr das Seil um den Hals. Aber sie dachte dabei an Manuna und ihr Versprechen. Sie erhob den Kopf und rief: "Nehmt die Schlinge ab! Ich will Euch etwas sagen." Das Seil wurde entfernt und sie sprach: "Sobald die Trauerperiode beendet ist - fahrt nach Mo'unga'one und bringt meinen Sohn, der dort von Manuna, meiner Dienerin, betreut wird. Er ist der Thronnachfolger; denn er ist mein Sohn, der Sohn einer Königin. Kürt ihn zum König von Tonga!" Dann wurde sie stranguliert und mit dem König begraben.

Als die Trauerperiode beendet war holte man Fakana'ana'a von Mo'unga'one und machte ihn zum König. Er wurde einer der besten Könige von Tonga, und seine Herrschaft war eine Zeit des Friedens. Er lehrte sein Volk wie man Landwirtschaft betreibt, und alle Tonganer lebten in  Eintracht. Und wenn er nicht gestorben ist dann lebt er heute noch.
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PS.: Ich war mal auf der Insel Mo'unga'one und füllte dort ein Video-Band. Noch immer gibt es dort hübsche Mädchen. Aber Manuna fand ich leider nicht. Das Märchen stammt von Tupou Posesi Fanua. Ihre Tochter war Kato, die Frau von Jack Riechelmann, ehemals Regierungs-Sekretär und dann Manager des Dateline-Hotels in Nuku'alofa. Übersetzung: Manfred Richter


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