Saturday, 23 July 2011

SPHINX per VERS

Kairo, Giza, 16.12.1964

Abends sehe ich mir "die grösste Schau der Welt" an. Die Egypter nennen das "Son et Lumiere". Präsident Nasser hat am 13. April 1961 persönlich die Eröffnungsrede gehalten.

Abends, nach des Tages Wärme, ziehen die Touristenschwärme an der Wüste Rand. Dort dann lauschen sie auf Stühlen jenen Ton- und Zauberspielen, die als "Son und Licht" bekannt. "Was wird kommen?" hört man's munkeln, während schon die Sterne funkeln über'm Pharaonental. Jeder blickt nur auf das Eine - auf die Pyramidensteine, und das Warten wir zur Qual. "Was wird uns die Sphinx wohl sagen? Was sind König Cheops' Klagen? Was hat Chefren einst erlebt?" Und man lehnt sich an die Stühle. Mancher zittert in der Kühle während sich ein Wind erhebt.

Doch nun öffnet sich die Szene! Metro-Goldwyn-Meier-Töne hallen kraftvoll durch die Nacht. Über viele Megaphone spricht dann eine Amazone von der Phraonenpracht. Heute soll zu neuem Leben sich die alte Welt erheben. Technisch zeichnet "Philips France". Was bisher noch nie gelungen wird in Dur und Moll besungen. Lauscht dem Pharaonentanz! Während so die Töne schwellen in der Nähe Hunde bellen. Eine Lady will schon gehn.

Plötzlich fällt aus vielen Lampen grelles Licht auf jene Rampen, wo die Pyramiden stehn. Zahlreich sind die Lichteffekte, die man für die Sphinx entdeckte. Ganz verlegen schaut sie drein. Und es staunt der Mond am Himmel über all das Farbgewimmel auf dem sonst so bleichen Stein.
                       

Viel Papyr und Hieroglyphen mussten weise Männer prüfen. Und nun spielt man es vom Band, wie die Pharaonen hausten, wie sie liebten, wie sie schmausten hier in diesem Land. Wie sie kämpften, wie sie litten, wie sie schossen wenn sie ritten, wie sie starben ab und an.

Eine Stimme tönt voll Jammer aus Herrn Cheops Grabeskammer, und Herr Chefren schliesst sich an. Bald verhallen Geisterrufe an des Totentempels Stufe, und der Pharao erscheint. Hei, da jauchzt des Volkes Menge! Und man spürt, dass das Gedränge fast das Tonband bersten lässt. Welch ein Schreien, welch ein Jubel! Hufe klappern in dem Trubel. Welch ein Kitsch ist dieses Fest!

 

Doch es soll noch besser kommen; denn die Sphinx, vom Lärm benommen, meldet sich zum Wort. Ringsum wird es Nacht und Schweigen, und die Sphinx die muss nun zeigen wie der Schmerz noch in ihr bohrt. "Liebster!" stöhnen ihre Lippen, und ganz rot sind ihre Rippen als von Cäsar sie erzählt. Und der Cäsar spielt die Leier zur Musik von Goldwyn-Meier bis er sich mit ihr vermählt. Ja, in jenen Zeiten hatte man noch Oberweiten. Seht Euch doch die Sphinx mal an! Auch die schöne Nefertit singt da noch ein Liedchen mit, seufzend dann und wann.

So vergeht fast eine Stunde bis die Pharaonenkunde intensiv verbreitet ist. Dann verfinstert sich die Stätte, und ich halte jede Wette: Es war grosser Mist!







Friday, 15 July 2011

DIE MAGD DER KÖNIGIN

Es war einmal ein König in Tonga der hatte eine Frau namens Fatafehi. Fatafehi hatte eine Magd die Manuna hiess, und die beiden waren sehr gute Freundinnen. Solche Beziehung zwischen Herrin und Dienerin ist recht ungewöhnlich. Aber die Zuneigung und Freundschaft dieser beiden Frauen war wirklich echt. Ohne zu zögern dürfen wir dabei an die Beziehung zwischen König David und Jonathan denken, über die wir in der Bibel nachlesen können.

Aber so wie die Schlange in den Garten Eden kroch und das glückliche und friedliche Leben von Adam und Eva zerstörte, so schlich sich die Wollust ein und zerstörte das glückliche und friedliche Leben der beiden Freundinnen.

Manuna war eine sehr schöne Frau, und der König von Tonga beobachtete sie wenn sie hin und her lief und die Königin bediente. Die Wollust befiel sein Herz und wurde wie eine Krankheit. Nachts konnte er nicht schlafen, weil er an Manuna denken musste. Die Sehnsucht nach ihr nagte an seinem Herzen und hielt ihn wach.

Eines Abends hatte Manuna ihre Pflichten für die Königin erfüllt. Sie hatte das Bett zubereitet und sah Fatafehi einschlafen. Dann zog sie sich in ihr eigenes Schlafgemach zurück. Dort wartete bereits der König auf sie und zwang sie ihm zu Willen zu sein. Manuna war sehr traurig, nicht etwa weil sie die Liebe des Königs abstossend fand. Aber sie hasste es ihre geliebte Königin zu betrügen.

 Sie sprach über den Vorfall nicht mit Fatafehi und hoffte, dass der König sie nicht mehr behelligen würde nachdem seine Lust gestillt war. Aber der König von Tonga konnte nicht von ihr lassen. Trotz ihrer Tränen und ihres Flehens besuchte er sie immer wieder, denn der Geschmack ihres Körpers steigerte nur seinen Appetit auf ihre Liebe.

Dann kam der Tag an dem Manuna bemerkte, dass sie ein Kind erwartete. Weinend lief sie zu Fatafehi, bat um Verzeihung und um die Erlaubnis in ihren Geburtsort auf der Insel Mo'unga'one zurückkehren zu dürfen. Sie erwartete Wut und einen Zornausbruch von ihrer königlichen Herrin. Aber auf das was geschah war sie vollkommen unvorbereitet. Sobald sie ihr Flehen um Verzeihung beendet hatte erhob sich Fatafehi, umarmte Manuna und sagte:
"Meine Pflicht für meinen Herrscher ist erfüllt; denn ich habe für ihn meine Tränen getrocknet. Natürlich wirst Du nach Mo'unga'one zurückkehren. Aber das Kind in Deinem Leib gehört mir. Geh, liebe ihn und sorge für ihn; denn er, mein Sohn, ist der Erbe, der Sohn einer Königin."

So kehrte Manuna nach Mo'unga'one zurück und gebahr dort einen Knaben. Sie nannte ihn Fakana'ana'a (Tränentrockner) - nach den Worten der Königin. Der Sohn entwickelte sich wunderbar. Im Handumdrehen wurde aus ihm ein attraktiver junger Mann, ausgestattet mit körperlicher Schönheit und Charakter. Manuna lehrte ihren Sohn alle Fertigkeiten, die ein tonganischer Jüngling beherrschen sollte. Er war ein erstklassiger Fischer, ein guter Gärtner, und niemand übertraf ihn im Umgang mit Auslegerbooten. Er wurde ein erfahrener Navigator, der die verborgenen Geheimnisse des Himmels und des Meeres kannte. Er lernte die Pflichten eines tonganischen Mannes und eignete sich ein umfangreiches Wissen der Sitten und der Kultur an. Er wusste alles was man über Pflichten und ihre Erfüllung lernen konnte. Solch ein Mann war Fakana'ana'a.

Die Jahre vergingen, und der Tag kam, an dem der König starb. Wenn damals ein tonganischer König starb dann erforderte es der Brauch, dass seine Frau stranguliert und mit ihm begraben wurde. Das stand also Fatafehi bevor. Als man sie zur Strangulierung führte kniete sie nieder, und man legte ihr das Seil um den Hals. Aber sie dachte dabei an Manuna und ihr Versprechen. Sie erhob den Kopf und rief: "Nehmt die Schlinge ab! Ich will Euch etwas sagen." Das Seil wurde entfernt und sie sprach: "Sobald die Trauerperiode beendet ist - fahrt nach Mo'unga'one und bringt meinen Sohn, der dort von Manuna, meiner Dienerin, betreut wird. Er ist der Thronnachfolger; denn er ist mein Sohn, der Sohn einer Königin. Kürt ihn zum König von Tonga!" Dann wurde sie stranguliert und mit dem König begraben.

Als die Trauerperiode beendet war holte man Fakana'ana'a von Mo'unga'one und machte ihn zum König. Er wurde einer der besten Könige von Tonga, und seine Herrschaft war eine Zeit des Friedens. Er lehrte sein Volk wie man Landwirtschaft betreibt, und alle Tonganer lebten in  Eintracht. Und wenn er nicht gestorben ist dann lebt er heute noch.
                                                     ==========

PS.: Ich war mal auf der Insel Mo'unga'one und füllte dort ein Video-Band. Noch immer gibt es dort hübsche Mädchen. Aber Manuna fand ich leider nicht. Das Märchen stammt von Tupou Posesi Fanua. Ihre Tochter war Kato, die Frau von Jack Riechelmann, ehemals Regierungs-Sekretär und dann Manager des Dateline-Hotels in Nuku'alofa. Übersetzung: Manfred Richter


Friday, 8 July 2011

LAVA

17.9.2000, SAWAII, SAMOA

Als ich per Bus über die Lava-Felder der Insel Savaii fuhr, kam ich mir plötzlich ganz klein vor. Deshalb übersetze ich mal eine Kurzgeschichte von Albert Wendt. Er ist der bekannteste Schriftsteller von Samoa. Der Name erinnert an die deutsche Kolonialzeit. Er sieht aber nicht deutsch aus.

LAVA

"Diese Welt, von der die Menschen glauben, dass sie sie unbedingt besitzen müssen, gibt es in Wahrheit nur in den Filmen, weil die Menschen die Filme machen. Verstehst Du mich?" sagt Tangata. Ich schüttle den Kopf. "Okay, ich erkläre es Dir mal anders." fährt er fort. "Hast Du die Lava-Felder von Sawaii gesehen?" Ich schüttle wieder den Kopf. "Vor zwei Jahren war ich mit einigen Freunden dort. Du fährst meilenweit durch den Wald und durch viele Dörfer wo die Menschen die Schönheit der Natur ruiniert haben. Und dann....und dann sind sie plötzlich da. Und Du fühlst, dass Du plötzlich mitten drin bist. Verstehst Du? Als wenn Du da bist wo der Frieden ist, wo all die schmutzigen kleinen Orte und Lügen und Denkmäler, die wir uns machen, nichts bedeuten, weil Lava nichts als Lava sein kann. Verstehst Du?" Er hält für eine Weile inne und schaut mich an. "Die Lava reicht meilenweit bis zum Meer. Sonst nichts. Nur schwarzes Schweigen, vielleicht wie der Mond. Denkst Du noch an den Film den wir als Jungs mal vor Jahren sahen? Ja, so sieht es aus, wie die Oberfläche des Mondes in diesem Film. Eine Flut von Lava überall. Aber an einigen Stellen kannst Du kleine Pflanzen sehen, die in den Spalten der Lava wachsen, wie lustige Geschichten, die aus Deinem versteinerten Gehirn brechen, verstehst Du mich? Ich fühlte als hätte ich mein ganzes miserables Leben lang danach gesucht. Junge, auf einmal sah ich alle Dinge klar. Dass es keine Rolle spielt ob Du ein Zwerg oder ein Riese bist oder ein Heiliger." Tangata's Augen leuchteten hell. "Dass wir alle gleich sind vor dem Schweigen, vor dem Nichts in der Lava. Ich wollte die Lava-Felder nicht verlassen. Aber....aber Du kannst dort nicht für immer bleiben; denn Du wirst vor Durst und Hunger sterben wenn Du dort bleibst. Es gibt dort kein Wasser, kein Essen, nur Lava. Alles ist Lava.
 
   
Es sind aber die kleinen Pflanzen, die das Tröstende an dieser Lava sind - wie die Auferstandenen nach der Schlacht bei Armageddon, wie Kinder, die nach einem Bombenangriff auf den Trümmern spielen; denn sie sind unschuldig, und es treibt sie nur die Gier nach dem Leben. Und dann die Menschen, deren Häuser unter der Lava begraben sind, die ihr Leben nur einer Laune der Natur verdanken. Und sie bauen neue Häuser auf der Lava und beschaffen das Wasser und Essen von anderswo, weil sie das Land nicht verlassen wollen. Samoanische Philosophen?