An Australian short story by Ernest Favenc.
Original title: "The Parson's Blackboy"Translated and "Germanised" by Manfred Richter, 20.6.2008
Des Pfarrers schwarzer Diener
Im Jahre 1894 war Queensland eine heidnische und gottlose Gegend. Europäische Einwanderer drangen nur langsam in die Wildnis vor, darunter auch Deutsche. Der Pfarrer Joseph Schmidt erhielt von seinem Bischof den Auftrag die Seelen im hohen Norden zu heilen. Der Pfarrer war jung, unerfahren und diensteifrig und war auf seine Missionsarbeit gespannt. Sein Vorgänger hatte sich nie weiter als 30 Km aus der kleinen Hafenstadt gewagt, die dem Bezirk als Handelszentrum diente. Aber das passte nicht zu Josephs eifrigem Temperament. Sobald er Fuß gefasst und sich eingelebt hatte beschloß er, eine ausgedehnte Tour bis an die äussersten Grenzen seines Amtsbereiches zu unternehmen.
Zwar war er etwas eitel und eingebildet, was für einen Anfänger in seinem Beruf normal ist. Aber sonst war Schmidt kein schlechter Kerl, und seine männliche Natur trat manchmal durchaus hervor. Ohne sich dessen bewußt zu sein war er deshalb überall willkommen.
Bei strahlendem Sonnenschein drang er ziemlich schnell tief ins Land hinein; denn überall lieh man ihm ein Pferd, oder die Bauern brachten ihn mit der Pferdekutsche zum nächsten Gehöft. Der Pfarrer Joseph hatte den Eindruck, daß die Wildnis so wild nicht war wie man sie ihm ausgemalt hatte.
So gelangte er zu einer Farm, die wir Oberwiesen nennen wollen. Dahinter gab es nur noch ein paar Weideflächen, die nur halb erschlossen waren. In Oberwiesen trieb man gerade das Vieh zusammen. Als der Pfarrer sich nach der nächsten Tagesstrecke erkundigte, wurde der Manager etwas verlegen. "Sehen Sie," sagte er, "es fehlt uns an Arbeitskräften. Ich kann ihnen keinen Führer zur Verfügung stellen. Und der Weg nach Gundewarra ist schwer zu finden. Sie könnten sich verlaufen. Aber ich werde versuchen Ihnen zu helfen."
Herr Schmidt lag bereits im Bett als im Nebenzimmer geflüstert wurde. Er verstand zwar kein Wort. Aber unterdrücktes Lachen deutete auf einen guten Witz hin. "Ich glaube ich kann Ihnen behilflich sein," sagte der Manager am nächsten Morgen beim Frühstück. "Von hier bis Minden sind es 25 Km, bis nach Prenzlau 15 Km und dann noch einmal 20 Km bis Gundewarra. Von dort auf dem kürzesten Weg durch den Regenwald bis hierher zurück sind es noch einmal 65 Km. Ich werde Ihnen einen Aborigine (Ureinwohner) mitgeben, der die Gegend gut kennt und Sie sicher zurückbringt."
Der junge Pfarrer bedankte sich bei seinem Gastgeber und machte sich nach dem Frühstück auf den Weg. Der Eingeborene, ein attraktiver junger Bursche mit sauberen Segeltuch-Hosen und Baumwollhemd, führte das Packpferd. Unterwegs gab Pfarrer Joseph dem Jüngling fromme Belehrungen. Man verständigte sich auf Englisch. Der Aborigine zeigte lachend seine hübschen weissen Zähne und erfüllte dem Pfarrer jeden Wunsch. Mittags machten sie am Ufer eines Teiches eine Pause, und Herr Schmidt nahm ein erfrischendes Bad. Abends kamen sie in Minden an und wurden in einem deutschen Bauernhof freundlich begrüßt.
"Ich sehe, daß Sie sich gut an die Landessitten angepaßt haben," sagte der Wirt beim Essen, und die Tafelrunde kicherte verhalten. Pfarrer Joseph lächelte ebenfalls. Er hielt es für eine Anspielung auf die Beinkleider und Stiefel unter seinem Talar. Man wies ihn darauf hin, daß das Lager in Prenzlau ziemlich einfach sei, und Gundewarra sei noch schlimmer. Er freute sich darüber. Bisher ging alles zu leicht. Und er mußte noch niemandem ins Gewissen reden. Das Lager in Prenzlau war in der Tat ziemlich einfach. Aber die Männer waren höflich. Er hatte mittags wieder gebadet und war dankbar für die einfache Mahlzeit, die man ihm vorsetzte. Aber auch hier wurden Witze gemacht, die allgemeine Heiterkeit verursachten.
Bis Gundewarra war es am nächsten Tag nicht mehr weit. Der Pfarrer hatte sich mit Charly, seinem schwarzen Führer, angefreundet. Mitten im lustigen Gespräch trafen sie plötzlich in Gundewarra ein.
Ein stark verrußter und schwitzender Koch und drei Aborigine-Mädchen, die nur mit zerrissenen Männerhemden bekleidet waren, begrüßten die Fremden mit weit aufgerissenen Augen.
Herr Schmidt hatte zwar den Talar abgelegt, trug aber noch den weissen Kragen, der seinen Beruf zu erkennen gab. Der Koch bot dem Pfarrer sofort einen Sitzplatz unter der Zeltplane an, die als Dach diente. Nach einer Weile trafen zwei Viehtreiber ein, die sich im Bach gewaschen hatten. Der Koch bereitete das Essen zu, und Joseph stellte Charly eine Frage: "Was machen die schwarzen Mädchen hier, Charly?" - "Oh, alle Mädchen gehören weisse Mann." war die überraschende Antwort. Joseph begriff nicht sofort. Doch schließlich hielt er es für seine Pflicht diesen Sündern eine ernsthafte Ermahnung zu erteilen.
"Verstehen Sie nicht, welche Sünde Sie gegenüber dem weltlichen und dem göttlichen Gesetzt begehen?" sagte er zu den drei Männern. "Wenn Sie das erste Gesetz nicht respektieren, dann sollten Sie wenigstens das zweite beachten." Der Koch und die Viehtreiber sahen sich verständnislos an. "Ich meine diese unglücklichen und fehlgeleiteten Menschenkinder." sagte der Pfarrer und deutete mit der Hand auf die halb bekleideten Mädchen. Schallendes Gelächter war die Antwort.
"Ick könnt mir beölen. Det müssen jrade Sie uns sajen" sagte der Koch als er wieder sprechen konnte. Die anderen kicherten zustimmend. "Was soll das heißen?" antwortete der beleidigte Joseph. "Ich spreche Kraft meines Amtes." - "Setzen se sich man hin und klotzen se ran an die Bouletten" sagte der Koch. "Ick kann ja sehen det se keen miesser Kumpel sind. Aba tun se doch nich so als wenn se keen Wässerchen trüben können."
Der verärgerte Pfarrer unterdrückte den Hunger und verließ entrüstet den unheiligen Ort. Charly hatte ihm von einem hübschen Billabong (Teich) erzählt, der in etwa 20 Km Entfernung in Richtung Oberwiesen lag. Dort wollte er übernachten. Er bestieg sein Pferd. Charly folgte mit dem Packpferd und reichlichem Proviant. Er hörte noch die Stimme des Kochs. Der sagte zu seinen Freunden: "Ick sah se aus'm Busch kommen. Jequatscht und jekichert ham se wie zwee Strauchdiebe. Meen Jott, ick hab mir jekugelt vor Lachen." Für Pfarrer Joseph war das schwerer zu verstehen als Griechisch.
Er wartete nicht auf die Entschuldigung des Kochs, ritt los und kam gegen Sonnenuntergang mit Charly an dem Billabong an. Es war eine malerische Umgebung. Das Wasser war teilweise mit breitblättrigen Lilien bedeckt. Aber es gab genug Platz für ein erfrischendes Bad. Charly half beim Aufbau des Zeltes. Joseph schickte sich nackt wie Gott ihn geschaffen hatte zum Schwimmen an. Charly rief ihm zu, daß er ihm einige Blumensamen pflücken würde, die die Aborigines gerne essen. Der Geistliche stand schon bis zum Bauchnabel im Wasser als er Charly's braunen Körper hinter sich im Teich plätschern hörte. Bald tauchte sein Kopf aus dem Wasser auf, und er bot ihm eine Handvoll der Aborigine-Delikatesse an. Die Samen schmeckten sehr gut. Weil die Sonne unterging schwamm Joseph wieder ans Ufer. Im flachen Wasser drehte er sich zufällig zu Charly um, der ein paar Schritte hinter ihm stapfte. "Oh Gott !" Ein eisiger Schrecken durchzuckte all seine Glieder. Plötzlich verstand er die dummen Bemerkungen und das Gekicher seiner Gemeinde-Mitglieder. Charly war eine Frau - zweifellos !!!
Der hinterlistige Manager von Oberwiesen hatte ihn nach Landessitte mit einem Eingeborenen-Mädchen auf die Reise geschickt, das wie ein männlicher Diener gekleidet war. Alle Gastgeber auf der Reise erkannten das sofort. Bei diesem Gedanken errötete Herr Schmidt und verbrachte die Nacht mit ernsten Gebeten.
"Lieber Herr," sagte der Manager von Oberwiesen später, "ich tat mein Bestes. Charlotte kennt sich in der Gegend aus wie jeder männliche Aborigine. Geben Sie es doch zu. Hat sie sich nicht bestens um Sie gekümmert?" - "Sie vergessen den Skandal, den es geben wird !" erwiderte der Pfarrer: - "Mein Gott, wen kümmert es was hier draussen geschieht ? Niemand wird davon hören." sagte der Manager.
Der Bauer irrte sich. Jedermann hörte davon. Herr Schmidt erhielt Mahnbriefe von seinem Bischof, vom Kirchenvorstand, mehreren Missionsgesellschaften, und was am Schlimmste war,
einen Abschiedsbrief für alle Zeiten von der jungen Dame, mit der er verlobt war und die er heiraten wollte. Zum Glück erhielt er kurz danach durch eine Erbschaft etwas Geld. So machte er aus der Situation das Beste, hängte seinen Beruf an den Nagel, wurde ein Farmer und ist nun einer der angesehensten Männer im Bezirk. Und wenn er nicht gestorben ist dann lebt er heute noch.
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